12.2.2017
Red Stripe Jamaican Premier League (1.Liga Jamaika)
Waterhouse FC – Maverley-Hughenden FC 2:1
Waterhouse Mini-Stadium
1500 Zuschauer
Wie bereits im letzten Beitrag angedeutet, spielt sich das fußballerische Geschehen Jamaikas hauptsächlich in Kingston ab. 7 der 12 Erstligateams kommen aus der Landeshauptstadt. Dazu kommt noch ein Team aus dem direkt an Kingston grenzenden Portmore. Auf dem Plan stand heute unter anderem das Derby der beiden benachbarten Stadtteile Waterhouse und Maverley-Hughenden. Es fanden aber auch noch drei weitere Erstligapartien in Kingston statt.
Im Vorfeld hörten wir, dass Waterhouse nicht unbedingt die beste Ecke in der Stadt wäre und es daher wie fast überall auf Jamaika am besten wäre, wenn wir uns von einem Taxifahrer des Vertrauens zum Spiel hinfahren lassen würden und dieser uns am besten auch wieder abholt. Dieser Umstand führte jedoch dazu, dass wir erst ça. 5 Minuten nach Anpfiff im Stadion waren, da auf Jamaika halt alles ein bisschen länger dauert 😉
Als wir am Stadion ankamen, war davor auch ein ordentliches Gewusel aus Menschen und Autos. Und das, was wir sahen, bestätigte durchaus den Eindruck „nicht die beste Ecke“. Für 500 jamaikanische Dollar (ça.3,70€) ging es rein. Was für unsere Verhältnisse äußerst günstig rüber kommt, sind für hiesige Verhältnisse ne ganz ordentliche Stange Geld. Es freute mich daher umso mehr, dass trotzdem ungefähr 1500 Zuschauer gekommen waren. Gerechnet hätte ich eher mit ein paar Hundert. Bezahlt wurde beim Polizisten am Eingang. Dieser wollte mir meine Eintrittskarte leider nicht wiedergeben und meinte am Ende des Spiels könnte ich sie mir bei ihm abholen. Schade nur, dass er nicht mehr da war, als wir das Stadion verließen…
Als nächstes überraschte mich das Stadion. Da ich im Internet nicht ein einziges Bild finden konnte, hatte ich keine Ahnung, was mich erwarten würde. Es war eine äußerst ansehnliche Tribüne auf der einen Längsseite und ein sehr nettes Bergpanorama auf der anderen. Auch der Rasen war im Vergleich zu anderen jamaikanischen Plätzen, die wir bereits gesehen haben, durchaus annehmbar.
Meine Erwartungen an das Spielerische waren nicht gerade hoch nach dem bisher in der 2.Liga Gesehenem. Außerdem war das Spiel heute eine astreiner Abstiegskrimi: Vorletzter gegen Drittletzter! Dass es dazu auch noch die ganze Nacht und den ganzen Vormittag Bindfäden geregnet hatte, würde einem gepflegtem Spiel sicher auch nicht entgegen kommen. Umso erfreulicher war daher was die Akteure auf dem Rasen boten. Intensive Zweikämpfe und sehr viel Kampf, wenn auch die Torgefahr oft ausblieb. Leider gab es auch die eine oder andere Unsportlichkeit, bei der die Schiedsrichterin hätte durchgreifen müssen. Da sie dies aber nicht tat, glitt ihr nicht nur das Spiel sichtlich aus den Fingern, sondern sie wurde auch ausgiebig beschimpft. Dabei trat auch einmal mehr das Bild, das viele jamaikanische Männer von Frauen haben zu Tage. Krass, was die alles von sich gaben.
Waterhouse gewann am Ende verdient. Geholfen haben dürfte dabei sicherlich auch, dass die Gäste lange in Unterzahl spielten, ehe in der 85.Minute „ausgeglichen“ wurde und nochmal insgesamt 3 Spieler vom Platz flogen. Das bekamen wir jedoch leider nicht mehr mit, da unser Taxifahrer nicht antwortete und wir ungern bei den durchaus hochkochenden Emotionen, als einzige Weiße im ganzen Stadion, nach Spielende ein Taxi suchen wollten. Wir gingen also 5 Minuten eher.
Meine beiden Highlights des Tages hatte ich da bereits erlebt. Da war zum einen der Edelfan von Waterhouse. Dieser trug einen Feuerwehrhelm und -jacke in den Vereinsfarben Hellblau-Gelb-Weiß und lief mit seiner selbstgemalten Fahne in der Hand bei den beiden Toren seiner Mannschaft im Vollsprint einmal am der Seitenlinie entlang, bis er sich kurz vor der Bande in einem Purzelbaum überschlug. Selbstredend wurde er dabei vom Publikum lautstark angefeuert und abgefeiert.
Zum anderen fiel mir auf, dass erstaunliche viele Zuschauer ein Trikot der Heimmannschaft trugen, was in diesen Breitengraden eher nicht so häufig vorkommt. Der Wunsch ein ebensolches sein Eigen nennen zu können lag also nah. Ich sprach also in in der Halbzeit eine ältere Frau im Trikot an. Generell immer eine gute Taktik um an verlässliche Informationen auf Jamaika zu kommen 😉 Sie antwortete mir: „Wait, I’ll figure that out for you!“ Anschließend fragte sie ihre Nachbarin, die ebenfalls ein Trikot trug. Diese bat mich, ihr zu folgen. Wir gingen zu einem Security-Typen vor dem Eingang zu den Kabinen. Dieser nannte mir den Preis 3000. Also ca 22€ für ein Trikot. Läuft! Er meinte in 10 Minuten würde die Frau mir das Trikot bringen und ich sollte ihr das Geld geben. Gesagt, getan! Nach exakt 10 Minuten bekam ich eine der auf Jamaika so typischen schwarzen Plastiktüten mit einem Trikot drin. In meinem „europäischen Denken“ fragte ich, welche Größe das Trikot überhaupt hätte. Ich ging schließlich davon aus, dass es frisch aus der Geschäftsstelle oder dem Fanshop kam. Sie guckte etwas verwirrt, öffnete aber doch die Tüte und schaute nach. Als ich dabei einen Fleck auf dem gelben Trikot entdeckte, dämmerte mir bereits etwas. Später im Hostel, als ich das Trikot auspackte, wurde mir dann klar, dass ich ein getragenes Aufwärmtrikot bekommen habe. Dieses ist jedoch, bis auf die fehlende Rückennummer, identisch mit dem Trikot. Wenn man bedenkt, was Sammler in Europa teilweise für sogenannte „Match-Worn-Trikots“ bezahlen, habe ich sicherlich ein gutes Schnäppchen gemacht. Hinzu kommt, dass diese umgerechnet 22€ bei näherer Betrachtung wahrscheinlich drei Menschen einen guten Tag beschert haben: Mir, weil ich ein original Trikot eines jamaikanischen Erstligisten mein Eigen nennen kann; dem Security-Typen, der wahrscheinlich in die Kabine der Heimmannschaft gegangen ist, es war schließlich Halbzeit, und gesagt hat: „Leute, da ist ein Weißer, der ist bereit 3000 J$ für ein Trikot zu zahlen. Wir machen 50:50, wer schreit als erstes?“; und eben jenem „Zuerst-Schreiendem“, 1500J$ sind hier für viele durchaus ein guter Tageslohn…
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