10.09.2018 Andorra – Kazakhstan 1:1

10.09.2018
UEFA-Nations-League
Andorra – Kazakhstan 1:1
Estadi Nacional
500 Zuschauer

Wie bereits im April angekündigt, schlug ich heute bereits zum zweiten Mal im kleinen Pyrenäen-Staat auf. Grund des Besuchs dieses Mal: das erste Heimspiel der andorranischen Nationalmannschaft in der UEFA-Nations-League. Das neue Turnier des Kontinentalverbandes, welches in den Augen der Topnationen durchaus zu Recht kritisiert wird, da es eine weitere Aufblähung des Rahmenkalenders mit sich führt und darüber hinaus einer intensiven Recherche bezüglich des Spielmodus bedarf um diesen überhaupt verstehen zu können, findet bei den kleinen Nationen durchaus anklang, bietet es ihnen doch eine durchaus realistischere Chance auf eine Qualifikation für die Europameisterschaft als die eigentliche Qualifikation.

Nachdem in unser Nachtlager eingecheckt war und der kleinen Stadt ein erneuter Besuch abgestattet wurde, ging es auf die Suche nach etwas essbarem. Dies gestaltete sich jedoch schwieriger als erwartet. Nachdem gefühlt die Hälfte der Läden in Innenstadtlage abgeklappert war und ein frisch zubereitetes Mahl erst nach Anpfiff in Reichweite schien, entschieden wir uns doch das äußerst fleischlastige Tapas-Angebot in der Auslage einer Bar zu verköstigen. Nach einem Meeresfrüchte-Salat und Schweineohren in Tomatensauce ging es dann erstmal zum Kartenkauf ans Stadion. Für 10€ war man dabei was schließlich außer uns ungefähr 498 andere Personen auch vor hatten. Nachdem der Kartenkauf erledigt war und das unweit des Nationalstadions gelegene „Estadi Comunal“ in Augenschein genommen wurde, versuchten wir erneut unser Glück mit der Nahrungsaufnahme. Nach dem einige weitere Bars, Bistros, etc. abgeklappert waren, gab es das zweite Mal aufgewärmte Tapas aus der Auslage. Dieses Mal eine grobe Bratwurst und weitere Fleischerzeugnisse.

Schließlich ging es rüber ins schmucke „Estadi Nacional“. Dieses hat 3 Seiten mit Ausbau zu bieten. Die Gegengerade, wird von einer Mauer „geschmückt“. Die Haupttribüne ist mit einem typischen andorranischen Giebeldach überdacht, welches sich so (natürlich in etwas kleinerer Form) tausendfach im Land wiederfindet.

Andorra holte wenige Tage vor dem heutigen Spiel beim Auswärtsspiel mit einem 0:0 in Lettland seinen ersten Punkt. Wie dieser Punktgewinn zu Stande kam, war spätestens nach zwei Zeigerumdrehungen klar: Von Minute eins an wurde konsequent und penetrant nur auf Zeit gespielt. Jeder Abstoß, und es gab einige Abstösse, dauerte mindestens 40 Sekunden. Der Torhüter „musste“ jedes Mal exakt fünf Mal in den Kunstrasen treten, damit der Ball richtig lag und jede sich sonst bietende Gelegenheit wurde dazu genutzt den Rasen ausgiebig auf seine Liege-Qualitäten“ zu testen. Mit Fußball hatte das auf Seiten der Heimmannschaft relativ wenig zu tun. Die Kasachen waren durchaus bemüht das Spiel zu gestalten, waren jedoch in ihren Abschlussqualitaten beschränkt. Nach der torlosen ersten Hälfte, ging Kazakhstan schließlich nach 68. Minuten vollkommen verdient in Führung und siehe da, plötzlich hatte Andorra es etwas eiliger. Acht Minuten später sah ein kasachischer Verteidiger die Gelb-Rote Karte. Wofür blieb uns schleierhaft, konnten wir doch keinerlei Foul erkennen. Und in der 85. Minute passierte schließlich das nicht für möglich gehaltene: Nach einem kapitalen Fehlpass des kasachischen Innenverteidigers brauchte Jordi Aláez nur noch ins leere Tor einschieben und wird ab dem heutigen Tag damit wahrscheinlich ein Volksheld sein. Die letzten Minuten versteifte sich Andorra wieder auf ihren Matchplan, also Zeit schinden wo es nur geht. Anschließend brachen alle Dämme. Der zweite Punktgewinn hintereinander wurde frenetisch gefeiert. A propos frenetisch: Bereits vor Anpfiff bemerkten wir das erste Mal die Trommelgruppe auf der Haupttribüne. Dachten wir zunächst noch: „Geil, mal was anderes und ein bisschen Stimmung!“, ging uns diese spätestens nach 30-minütiger Dauerbeschallung in ohrenbetäubender Lautstärke dermaßen auf den Zeiger, dass wir fast hofften Kazakhstan würde hier frühzeitig für klare Verhältnisse sorgen, damit der Enthusiasmus der Trommler verschwindet. Bei dem knappen Spielstand wurde daraus natürlich nichts…

Im Schatten der Pyrenäen – Fußball in Andorra

Länderpunkt Nummer 19 stand an diesem Wochenende auf dem Plan. Dafür sollte es in die einzige Duarchie dieser Erde gehen – nach Andorra. Das Fürstentum Andorra ist mit seinen 78.000 Einwohnern der größte der sechs europäischen Zwergenstaaten und eben das einzige Land der Erde, das zwei ausländische Amtsträger als gleichberechtigte Staatsoberhäupter hat, den Bischof von Urgell und den französischen Staatspräsidenten. Bekannt dürfte Andorra vor allem als Steueroase und für seine spottbilligen Alkohol-, Tabak- und Benzinpreise sein.

Der Fußball dürfte für den Großteil der Besucher wahrscheinlich eher weniger Anlass sein das Land, welches mitten in den Pyrenäen liegt, zu besuchen, davon konnte ich mir dieses Wochenende ein Bild machen. Immerhin ist die Homepage des andorranischen Fußballverbandes als Auskunft für sämtliche Ansetzungen und Spielorte wärmstens zu empfehlen. Sollte doch einmal etwas nicht ganz klar sein, kann ich empfehlen einfach eine Mail an den Verband zu schreiben. So gelangte ich auch in Kontakt mit Xavi, dem „Head of communication“ des Verbandes. Dieser antwortete mir nicht nur freundlichst auf alle Anfragen, sondern bot mir auch gleichzeitig an ja nicht zu zögern ihn anzurufen, sollte ich irgendwelche Probleme haben.

Es gibt exakt 2 Möglichkeiten mit dem Auto nach Andorra zu fahren, eine aus Frankreich und eine aus Spanien. Aus Frankreich kommend, fuhr ich vorbei an meter-hohen Schneemassen während 25° und T-Shirt-Wetter angesagt waren. Nach meiner Ankunft habe ich erstmal eine Runde durch das kleine Städtchen gedreht.

Schon ganz nett und rundum von Berggipfeln eingeschlossen aber halt überlaufen von Touris und „Duty-Free-Shoppern“. Passend dazu war die Auskunft die ich in meiner Unterkunft bekam, als ich fragte, wie ich am besten in die Stadt komme: „Hier ist die Stadt und dort geht es zu den Outlets.“ Vielen dank auch, aber die Outlets interessieren mich mal sowas von überhaupt nicht… Also nach meiner kurzen Runde das erste Spiel angesteuert:

21.04.2018
Primera Divisió Andorra (1. Liga Andorra)
FC Santa Coloma – UE Sant Julia 0:1
Centre d’Entrenament de la FAF 1
70 Zuschauer

Das „Centre d’Entrenament de la FAF“ ist ein Sportgelände, das 2 Kunstrasenplätze umfasst, welche in der Mitte von einer Tribüne, mit Sitzplätzen in beide Richtungen, getrennt sind. Auf dem einen Platz finden sämtliche Spiele der 1. Liga statt und auf dem anderen sämtliche Spiele der 2. Liga, wobei es jedoch gelegentlich Ausnahmen gibt. Heute fand ein Spiel der Meisterrunde statt. Man konnte den 22 Akteuren zwar nicht den Willen absprechen, letzten Endes war das Niveau allerdings äußerst mau. Der „FC Santa Coloma“ hat seit 2014 jeden Meistertitel geholt, schloss die reguläre Saison als Erster ab und gilt damit logischerweise als Topfavorit auf den Titel. Man sah auch einen leichten Vorteil, der jedoch am Ende zu nichts zählbarem führte. In der Halbzeit begrüsste ich noch Xavi, der im Sprecherhäuschen auf der Tribüne daran werkelte, das Spiel in einem Livestream zu übertragen. Wahrscheinlich für die Unmengen an Exil-Andorranern, die darauf brennen Spitzenfußball aus der Heimat zu sehen…

22.04.2018
Copa Federació
FC Lusitans B – Ranger’s FC  3:2
Camp d’Esports d’Ordino
12 Zuschauer

Am nächsten Tag ging es mit einer Partie in der „Copa Federació“ weiter. Dies ist ein Pokal, der nach der regulären Saison, ebenfalls in einem Ligensystem, von den Teams der zweiten Liga ausgetragen wird, die sich nicht für die Aufstieg Play-offs qualifiziert haben, beziehungsweise für die Zweitvertretungen, die nicht aufsteigen dürfen, „damit diese auch noch ein paar Spiele mehr haben.“, wie Xavi mir erklärte.

Das Niveau bei dieser Partie war noch einmal ein gutes Stück schlechter. Das war Kreisligafußball vom allerfeinsten. Gespielt wurde wieder auf Kunstrasen, der sich gefühlt in einem Hinterhof einer Sporthalle befand. Normalerweise bin ich ja kein Freund vom künstlichen Grün aber in diesen Höhen, wäre es wahrscheinlich ziemlich unmöglich ein vernünftig bespielbares Fußballfeld mit Naturrasen zu gewährleisten.

22.04.2018
Playoff Ascens Segunda Divisió (2. Liga Andorra)
Atletic Club Escaldes – CE Jenlai 0:1
Centre d’Entrenament de la FAF 2
70 Zuschauer

Zurück in der Hauptstadt und zurück im „Centre d’Entrenament de la FAF“, dieses Mal jedoch mit Blick auf die andere Seite der Tribüne, schließlich spielten hier zwei Mannschaften der zweiten Liga um den Aufstieg in die höchste Spielklasse. Ein umkämpftes Spiel und ich würde sagen das beste, das ich in Andorra gesehen habe. Am Ende siegte einmal mehr der Underdog. Ich verabschiedete mich von Xavi, nicht jedoch ohne ihn vorzuwarnen, dass ich auf jeden Fall noch einmal für ein Länderspiel wiederkommen werde, schließlich finden diese im schmucken „Estadi Nacional“ statt.

22.04.2018
Copa Federació
FC Encamp B – UE Santa Coloma B 4:1
Camp de futbol Prada de Moles
50 Zuschauer

Auf dem Rückweg konnte ich noch perfekt ein weiteres Spiel der „Copa Federació“ mitnehmen. Dieses fand im nagelneuen „Camp de futbol Prada de Moles“ statt, welches wunderbar an einem kleinen Bach gelegen und mit Feldern für weitere Sportarten neben dem Hauptplatz ausgestattet ist. Außerdem stand hier eine nette Tribüne, die unter den Sitzplätzen die Umkleidekabinen und ein paar Funktionsräume beherbergte. Hier trafen heute zwei Zweitvertretungen aufeinander und trotzdem war der Zuschauerzuspruch in etwa genauso hoch (oder niedrig…), wie zuvor bei den anderen Spielen. Mitte der ersten Halbzeit traf auch der ein oder andere Spieler, der beim Spiel in den Aufstiegs-Play-offs zuvor noch auf dem Platz gestanden hatte, ein. Die Heimmannschaft war klar überlegen und gewann auch in der Höhe vollkommen verdient mit 4:1.

Als Fazit kann ich sagen, dass Andorra mich definitiv noch einmal wiedersehen wird. Ich habe sehr freundliche Menschen getroffen, das Bergpanorama ist überragend und das „Estadi Nacional“ will schließlich auch noch besucht werden. Übrigens waren alle von mir besuchten Partien kostenlos, was dem fußballerischen Niveau allerdings auch angemessen war. Doch trotzdem konnte ich auch hier, in diesem kleinen Land mitten in den Bergen, die Leidenschaft für den Fußball sehen, die eben nicht davon abhängt, wie groß das Spektakel, das Event drumherum ist und wie hoch die generierten Werbeeinnahmen sind, sondern dessen Quintessenz immer noch aus 22 Menschen und einem Ball besteht…